Krieg und Heimat
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Irak
2.) BA-MA, ZA 1 / 2257, „Die deutsche Ausnutzung der arabischen   Eingeborenenbewegung im Zweiten Weltkrieg“ (P-207), Teil I (Felmy), S. 91–100.
Vorbemerkung :    Es    versteht    sich    von    selbst,    dass    der    hier    wiedergegebene Textauszug    nicht    in    erster    Linie    als    ‚Tatsachenbericht’    über    die    historischen Verhältnisse   angesehen   werden   kann.   Interessant   sind   die   Ausführungen   vor   allem deshalb,   weil   sie   den   Kenntnisstand   und   vor   allem   die   Einschätzungen   der   deutschen Protagonisten wiedergeben. „Erfahrungen mit einheitlichen Verbänden, die Lehren aus ihrem Einsatz Nach   dem   ersten   Weltkrieg,   der   die   500-jährige   Türkenherrschaft   in   den   arabischen Provinzen beseitigte, stiessen Mittelalter und Neuzeit unvermittelt aufeinander. Während   im   Innern   der   Länder   noch   die   Feudalherrschaft   bestand   und   die   Gebote des    Koran    galten,    waren    die    Küstenstriche    des    Mittelmeeres    bereits    von    der europäischen    Zivilisation    erfasst.    Die    modernen    Verkehrsmittel    beschleunigten alsbald   ihr   rasches   Vordringen.   Trotzdem   blieben   die   soziologischen   Schichtungen noch für lange Zeit völlig unausgeglichen. Die   Jugend,   soweit   sie   in   Europa   studieren   konnte,   war   von   nationalen   Idealen   erfüllt und    drang    in    das    politische    Reservat    der    alten    Führungsschichten    ein.    In    den französischen   Kolonialgebieten   in   Nordafrika   lagen   –   mit   gewissen   Abweichungen   die   Verhältnisse   ähnlich.   Aus   diesen   Zuständen   erklären   sich   –   wenigstens   zum   Teil –     die     Eigenarten     der     arabischen     Soldaten     und     die     Gegensätze     in     ihrer Charakterveranlagung. Neben   Stolz   und   Begeisterungsfähigkeit   stehen   Misstrauen   und   Verschlagenheit.   Die Gastfreundschaft,   aus   dem   Gesetz   der   abgeleitet,   setzt   den   Fremden   immer   wieder in   Erstaunen   und   verleitet   ihn   leicht   zu   falschen   Schlüssen.   Der   Koran   und   seine Sittengesetze   werden   von   den   Bergstämmen   in   Nordafrika   und   den   Bewohnern   im Innern   von   Saudi-Arabien,   von   Syrien   und   dem   Irak   streng   eingehalten.   Aber   der Koran   bietet   keine   ethische   Schranke   für   Ausschweifungen   jeglicher   Art   auf   dem sexuellen   Gebiet.   Sodomie   und   Homosexualität   stehen   in   einer   Art   Idealkonkurrenz zu    einem    stark    ausgeprägten    Geschlechtstrieb.    So    sehr    die    arabische    Frau    als sorgsam    gehüteter    Besitz    der    Familie    gilt,    so    wenig    scheut    der    Araber    vor Vergewaltigung fremder Frauen zurück. Die    Neigung    zu    Übertreibungen    tritt    vielfach    hervor    und    spiegelt    sich    in    einem übersteigerten   Ehrgefühl   wider.   Das   ganze   Denken   und   Handeln   mutet   oft   kindlich an.    Wie    die    Kinder    reagieren    die    Araber    rein    gefühlsmässig,    unbeherrscht    und launisch. Nach   Alkoholgenuss   arten   Tätlichkeiten   allzu   leicht   in   Mord   und   Totschlag   aus.   Von Andersgläubigen      werden      vorschriftswidrige      Behandlung,      geschweige      denn Misshandlungen keineswegs geduldet. Um   diese   Ausführungen   ins   rechte   Licht   zu   rücken,   seien   einige   Vorfälle   aus   der Praxis   geschildert.   Haupt   von   Voss,   Chef   der   1.   Kompanie   des   deutsch-arabischen Bataillons   845,   berichtet:   „Ali   ben   Mohammed   meldet   sich   beim   Stabsarzt,   will   in Lazarett.   Der   Arzt   untersucht   ihn,   Ali   ist   kerngesund.   Warum   willst   Du   in   Lazarett?   Du bist   doch   gesund!   Aber   die   anderen   kommen   doch   auch   ins   Lazarett!   Du   bist   gesund und   kommst   nicht   ins   Lazarett.   Ali   geht   zur   Glastür,   haut   blitzschnell   mit   dem   Kopf durch   vier   Glasscheiben   und   steht   nun   blutüberströmt   vor   dem   Arzt,   die   Kopfhaut voller Glasscherben. Nun krank genug? fragt er. Die   Kompanie   exerziert,   es   klappt   alles   recht   ordentlich.   Mit   einem   mal   wirft   Machmut sein   Gewehr   hin,   schmeisst   den   Stahlhelm   weg   und   wirft   sich   auf   den   Boden.   Ich   nix Soldat,   schreit   er.   Zwei   Stunden   später   schlägt   sein   Freund   Mabruk   aus   Wut   über diesen   Vorfall   und   aus   Scham   über   seinen   Freund   sich   das   Seitengewehr   fünf-   bis sechsmal über den Kopf, dass der Schädelknochen bloss liegt. Zwei   Araber   hänseln   einen   Kameraden   wegen   seiner   Neigung   zur   Homosexualität. Nachts   nimmt   dieser   sein   Gewehr,   hält   es   einem   der   beiden   hinters   Ohr   und   schiesst ihn tot. Oberst   Ritter   von   Eberlein,   Kommandeur   einer   Sicherungsdivision   (?)   funkt   bei   einem Banden-Einsatz:   ‚Sitze   zwischen   zwei   Flüssen   fest,   holt   mich   raus!’   Ich   erzähle   das meinen   Leuten,   die   den   alten   wilden   Mann   mit   den   vielen   Orden   (!)   kannten   und   gern mochten.   Alle   wollen   mit,   wir   mussten   wirklich   durch   ein   paar   Flüsse,   und   keiner   der Araber liess es zu, dass ich mit durchwatete, ich musste mich tragen lassen. Nie   durfte   ich   ein   MG   schleppen,   auch   wenn   es   auf   dem   Rückzug   noch   so   hart herging.   Niemals   haben   meine   Araber   irgendetwas   aus   meinem   persönlichen   Besitz angerührt,   dabei   stahlen   sie   doch   sonst   wie   die   Raben.   Sie   wollten   fressen   und saufen,   plündern   und   schänden,   aber   konnten   auch   anständig   sterben,   waren   bei Verwundungen unvorstellbar hart.“ Oblt.   Breiden,   Kampf-Bataillon   der   deutsch-arabischen   Lehrabteilung   <…>   betont, dass   bei   dem   Zusammenbruch   in   Tunesien   sich   die   Möglichkeit   bot,   die   Araber   zu entlassen.    Sie    hätten    leicht    bei    der    einheimischen    Bevölkerung    unterschlüpfen können.   Der   grössere   Teil   von   ihnen   weigerte   sich,   die   Situation   auszunutzen,   lieber gingen    sie    mit    ihren    deutschen    Kameraden    in    das    ungewisse    Schicksal    der Gefangenschaft. Hptm.   Schacht   <…>   führt   in   einem   Privatbrief   aus   „Im   September   43   hatte   das Gen.Kdo.   des   XI.   Fliegerkorps   den   Auftrag,   nach   dem   Badoglio-Putsch   Rom   zu nehmen.      Den      italienischen      Kommandobehörden      blieben      die      deutschen Vorbereitungen      selbstverständlich      nicht      völlig      verborgen.      Sie      trafen      ihre Gegenmaßnahmen.     Unter     anderem     wurden     die     Reste     der     tripolitanischen Wüstenpolizei    in    unmittelbarer    Nähe    des    Gefechtsstandes    von    General    Student untergebracht.   Das   Detachement   war   ungefähr   300   Mann   stark   und   setzte   sich,   mit Ausnahme     weniger     Offiziere,     nur     aus     Arabern     zusammen.     Im     Falle     eines bewaffneten   Zusammenstosses   zwischen   uns   und   den   Italienern   sollte   die   arabische Einheit   den   Führungsstab   Student   ausser   Gefecht   setzen.   Da   General   Student   nur sehr   schwache   Kräfte   für   die   Sicherung   seines   Stabsquartiers   zur   Verfügung   hatte, beauftragte   er   mich,   mit   Hilfe   meiner   arabischen   Beziehungen   die   Wüstenpolizei auszuschalten.   Ich   holte   mir   den   Führer   meiner   tunesischen   Araber,   mit   dem   mich noch   heute   eine   sehr   enge   Freundschaft   verbindet,   nach   Rom.   Nachdem   wir   in   der Nacht   zum   9.   September   die   italienischen   Offiziere   entwaffnet   hatten,   nahm   mein arabischer   Freund   die   italienische   Wüstenpolizei   in   unsere   Dienste.   Sie   hat   in   den Kämpfen um Rom mitgewirkt.“ Und weiter schreibt Hptm. Schacht: „Als   ich   im   November44   den   Auftrag   erhielt,   das   ‚Fallschirmjäger-Regiment   z.b.V.’ auszustellen,   sprach   sich   das   sehr   schnell   herum.   Ende   November   waren   ungefähr 100    Araber    von    ihren    bisherigen    Dienststellen    desertiert    und    hatten    sich    beim Regiment   gemeldet.   Unter   ihrem   alten   Führer   aus   der   tunesischen   Zeit   bildeten   sie eine   überplanmässige   Kompanie   meines   Regiments.   Diese   hat   sich   besonders   im März   und   April   in   Vorpommern   und   im   Oderbruch   hervorragend   geschlagen.   Ich selbst    verdanke    ihr    in    mindestens    zwei    Fällen    mein    Leben.    Die    Verluste    waren entsprechend hoch.“ So   widerspruchsvoll   auch   die   Charaktereigenschaften   der   Araber   in   den   Berichten erscheinen    mögen,    immer    wieder    tritt    das    rein    persönliche    Verhältnis    zum    dem   Vorgesetzten   hervor,   der   ihr   Vertrauen   und   ihre   Zuneigung   gewonnen   hatte.   Sie   sind letzten   Endes   das   Geheimnis   jeder   wahren   Führerschaft,   nur      wirken   sie   bei   den primitiv    denkenden    Eingeborenen    krasser.    Die    unverbildeten    Araber    aus    dem Inneren   geben   die   besten   Soldaten   ab.   Bei   ihnen   besteht   noch   das   auf   Treu   und Glauben    aufgebaute    unkomplizierte    Verhältnis    wie    in    ihrer    Familiensippe,    ‚je schwärzer die Hautbarbe, des besser’, lautete das allgemeine Urteil. Die   Lehren,   die   sich   aus   der   Ausnutzung   der   Eingeborenen   Bewegung   ergeben, lassen sich, wie folge, zusammenfassen: Am   wichtigsten   ist   die   richtige   Auswahl   des   deutschen   Führerpersonals,   der   Offiziere und   Unteroffiziere.   Ausschlaggebend   sind   –   neben   ihrem   militärischen   Können   –   ihre Charaktereigenschaften,    weil    sie    am    stärksten    auf    die    naiven    Untergebenen ausstrahlen.   Sie   sind   wichtiger   als   arabische   Sprachkenntnisse,   so   erwünscht   sie auch sein mögen. Die     aus     den     eigenen     Reihen     der     Eingeborenen     beförderten     Gefreiten     und Unteroffiziere   haben   es   sehr   schwer,   Autorität   zu   gewinnen.   Sie   werden   von   ihren Stammesgenossen    nicht    für    voll    angesehen,    und    als    Vorgesetzte    nur    selten anerkannt. Die   Rechtssprechung,   auch   bei   Disziplinarstrafen,   muss   der   arabischen   Mentalität angepasst   werden.   Längere   Fristen   zwischen   Ausspruch   einer   Strafe   und   deren Vollstreckung     machen     sie     wirkungslos.     Arreststrafen     kommen     lediglich     dem angeborenen   Hang   zum   Nichtstun   entgegen.   Ob   die   Prügelstrafe,   wie   die   Franzosen es handhaben, noch angebracht ist, erscheint zweifelhaft. Die   formale   Ausbildung,   die   gemeinhin   den   Innen-   und   Exerzierdienst   umfasst,   bildet die   Grundlage   für   die   Erziehung   und   den   persönlichen   Einfluss.   Ein   gewisser   ‚Drill’   ist hierbei   nicht   zu   entbehren,   im   Gegenteil   er   weckt   die   Lust   am   ‚Soldatenspielen’   und ist   eng   verknüpft   mit   der   Pflege   der   Uniformen,   der   Waffen   und   der   Ausrüstung.   Der Stolz   auf   die   Uniform   und   bunte   Abzeichen   spielt   eine   bedeutende   Rolle.   Die   Waffen usw.    werden    vielfach    als    ‚persönliches    Eigentum’    betrachtet;    ein    Austausch    auf irgendwelchen Gründen ist unangebracht, weil er als verletzend empfunden wird. Die    Handhabung    der    schweren    Waffen    beherrschen    die    Araber    sehr    bald.    Das Erfassen der deutschen Kommandosprache bereitete nur anfangs Schwierigkeiten. Bei    der    Gelände-    und    Gefechtsausbildung    kommt    die    Anpassungsfähigkeit,    ihr Jägerinstinkt     ihnen     zustatten.     Namentlich     als     Späher     und     auf     nächtlichen Erkundungen sind sie dem Europäer weit überlegen. Selbstständiges      Denken      und      die      Vorstellung      vom      Ablauf      verschiedener Gefechtsphasen   darf   von   den   Eingeborenen   nicht   gefordert   werden.   Sie   handeln unüberlegt,   aber   meist   aus   sicherem   Instinkt.   Aus   diesem   Grunde   ist   Schulung   durch theoretischen   Unterricht   verlorene   Zeit.   Selbst   die   Darstellung   einfachster   Lagen   am Sandkasten   geht   über   ihren   Horizont.   Es   muss   mehr   oder   weniger   alles   in   der   Praxis mit ihnen geübt werden. In   der   Freiheit   sind   sie   interessiert   an   Wettspielen   jeder,   Art   auch   Singen   im   Chor mach    ihnen    Spass.    Märchenerzählern    lauschen    sie    andachtsvoll,    wobei    oft    ihre Veranlagung zum Humor zutage tritt. Die    Koran-Gläubigen    beachten    die    vorgeschriebenen    Gebetszeit,    das    Fasten    zu Ramadan   und   die   Ablehnung   von   Schweinefleisch   und   Alkohol,   streng.   Hierauf   muss unter allen Umständen Rücksicht genommen werden. Dem   modernen   Materialkrieg   mit   Feuerüberfällen   schwerer   Artillerie,   den   Angriffen von   Fliegern   und   Tanks   sind   die   Eingeborenen-Verbände   in   den   seltensten   Fällen gewachsen. In    gewisser    Weise    lassen    sich    diese    Schwächen    durch    harten    Gefechtsdrill ausgleichen,   aber   irgend   ein   unvorhergesehenes   Ereignis   kann   nur   allzu   leicht   eine Panik   auslösen.   Die   Stärke   solcher   Eingeborenen-Verbände   liegt   mehr   im   Kleinkrieg, in   einem   Kampf   an   aufgelockerten   Fronten,   der   eher   ihrer   Eigenart   entspricht.   Als Spähtrupps    bei    Nacht,    in    offenen    Flanken,    bei    Kommando-Unternehmungen,    im Partisanenkrieg usw. leisten sie gute Dienste. Steht   genügend   Zeit   für   die   Gefechtsausbildung   zur   Verfügung,   ist   die   Unterstützung schwerer    Waffen    bei    Abwehr    und    Angriff    eingespielt,    können    Eingeborenen- Verbände   auch   im   Grosskampf   mit   Erfolg   verwandt   werden.   Beispiele   hierfür   bieten der   Bericht   des   Hptm.   Schacht   <…>   und   die   Bewährung   indischer   Divisionen   in Ägypten und französischer Kolonialtruppen in Italien. Beim   Einsatz   arabischer   Truppen   hat   sich   immer   wieder   gezeigt,   dass   nur   der   Führer Erfolg   hat,   dem   die   Herzen   seiner   Soldaten   entgegen   schlagen.   Ihm   danken   sie   es mit Treue und Ergebenheit und folgen ihm blindlings – bis in den Tod.“