Krieg und Heimat
(Zur Anfangsseite auf Logo klicken)
Irak
Bernd Lemke Kulturkontakt im Krieg Der Luftwaffen-Einsatz Irak 1941 und seine Diskussion nach 1945 Der   deutsche   Arm   in   den   Orient   war   seit   jeher   kurz.   Daran   hatte   die   teils   demonstrative Politik   Wilhelms   II.   genauso   wenig   ändern   können,   wie   die   grandiosen   Pläne   eines   Max von    Oppenheim,    der    im    Jahre    1904    vorgeschlagen    hatte,    auf    der    Basis    des Bagdadbahnprojektes    eine    groß    angelegte    wirtschaftlich-zivilisatorische    Entwicklung unter   deutscher   Führung   in   Gang   setzen   zu   können.   Ferner   hatte   man   Träume   nicht zuletzt   auch   in   Verbindung   mit   Luftwaffentechnologie   gehegt.   So   war   1906   ein   Werk erschienen,   das   ein   deutsches   Großreich   bestehend   aus   Deutschland,   dem   Balkan, großen     Teilen     Osteuropas     und     Mesopotamien     propagierte.     Gestützt     auf     die Unbesiegbarkeit    der    Zeppeline    wurde    in    diesem    Roman    die    Außengrenze    des deutschen    Imperiums    zwischen    dem    Zweistromland    und    Persien    angesiedelt.    Das Zweistromland   erblühte   unter   den   segnenden   Händen   der   dort   installierten   deutschen Oberschicht.   Renitente   Stämme   und   sonstige   Aufrührer   wurden   durch   ein   dichtes   Netz von   Luftschiffbasen   unter   Kontrolle   gehalten.   Derlei   Phantasien   waren   in   dieser   Zeit keineswegs      nur      marginale      Außenseiterphänomene,      sondern      erfuhren      große Aufmerksamkeit. Der    Erste    Weltkrieg    hatte    dann    für    eine    begrenzte    Zeit    die    Realisierung    derartiger Phantasien    in    greifbare    Nähe    gerückt.    Die    türkische    Armee    rückte    unter    Führung deutscher    Generäle    (Kreß    von    Kressenstein,    Colmar    von    der    Goltz)    und    mit    Hilfe deutscher    Expeditionskorps‘    bis    nach    Ägypten    und    konnte    der    britische    Armee    in Mesopotamien    bei    Kut-al-Amara    eine    empfindliche    Niederlage    zufügen.    Das    Blatt wendete   sich   jedoch.   Bei   Kriegsende   hatten   die   Briten   die   deutsch-türkischen   Verbände weit nach Norden zurückgedrängt. Nach    Kriegsende    schwand    der    deutsche    Einfluss    zunächst    einmal    fast    vollständig. Stattdessen   konnte   Großbritannien   dort   nachhaltig   Fuß   fassen   und   in   Palästina   und   im Zweistromland   als   Mandatsmacht   eine   imposante   Landbrücke   zwischen   Europa,   Afrika und Indien installieren. Für   die   deutschen   Protagonisten   und   ihre   geistigen   Nachfolgen   bedeutete   es   eine   herbe Enttäuschung,   dass   nicht   Deutschland   sich   hatte   durchsetzen   können,   sondern   das Empire.    Vor    allem    die    erfolgreiche    Aufstandsbewegung    der    Araber    gegen    das Osmanische    Reich    hinterließ    einen    bleibenden    Eindruck.    Fortan    galt    insbesondere Lawrence von Arabien als Vorbild und Neidobjekt, von dem es zu lernen gelte.
Man     erblickte     jedoch     nach     einiger     Zeit     weiterhin     eigene     Möglichkeiten     zur Machtentfaltung,    da    die    Briten    mit    der    Verwaltung    des    1919/20    entstandenen    Irak erhebliche   Schwierigkeiten   zu   gewärtigen   hatten.   So   erhoben   sich   1920   zehntausende Stammeskrieger   gegen   die   Regierung   in   Bagdad   und   brachten   die   britische   Herrschaft fast   zum   Einsturz.   Nur   mit   Mühe   konnte   London   die   eigene   Autorität   festigen.   Auch danach kam es immer wieder zu Aufständen, dies nicht zuletzt auch in Kurdistan. Insbesondere    innerhalb    des    Auswärtigen    Amtes    bauten    interessierte    Kreise    darauf, langfristig      die      Briten      von      dort      vertreiben      zu      können.      Man      hoffte,      die „Eingeborenenbewegung“,   wie   man   die   Aufständischen   aller   Couleur   nannte,   für   sich instrumentalisieren   zu   können.   Eine   panarabische   Nationalbewegung   unter   deutscher Kontrolle   sollte   ganz   neue   Machtverhältnisse   schaffen.   Dafür   sollten   auch   arabische Führer,   wie   etwa   der   selbsternannte   Großmufti   von   Jerusalem,   Amin   el-Husseini,   ein ausgesprochener Judenhasser, eingespannt werden. Den   Hintergrund   der   damit   verbundenen   Erwartungen   dürften   dabei   nicht   zuletzt   auch die   erheblichen   Schwierigkeiten   der   Briten   bei   der   Festigung   der   irakischen   Grenzen   in den   Jahren   nach   dem   Ersten   Weltkrieg   gestanden   haben.   Das   Empire   war   keineswegs als   überlegener   Herrscher   aufgetreten,   sondern   als   einer   unter   mehreren   Akteuren   in einem    wechselnden    politischen,    militärischen    und    wirtschaftlichen    Hin    und    Her.    Die Türken    hatten    im    Bestreben,    die    Kurdengebiete    unter    ihre    Kontrolle    zu    bringen, Agitatoren     mit     kleinen,     aber     hochmobilen     Verbänden     eingeschleust,     die     durch Beeinflussung   und   militärische   Aktionen   die   teils   wankelmütigen   Stämme   auf   ihre   Seite brachten    und    damit    zeitweise    einen    erheblichen    Machtverlust    der    Briten    erreichten. Diese   offensichtlichen   Schwächen   hoffte   man   von   deutscher   Seite   dann   im   Zweiten Weltkrieg auszunutzen, dies aber mit letztlich erheblich weiter gesteckten Ambitionen. Einstweilen   blieben   derlei   Ambitionen   aufgrund   der   Schwäche   des   Deutschen   Reiches noch   eher   Wunschgebilde.   Als   dann   aber   die   Wehrmacht   im   Jahre   1941   auf   dem   Balkan vorrückte   und   Rommel   ein   erstes   Mal   vor   den   Toren   Ägyptens   stand,   glaubte   man,   die Zeit    zum    Handeln    sei    reif.    Bestärkt    wurde    man    durch    den    Ausbruch    eines    neuen Aufstandes    gegen    die    britische    Herrschaft    im    April    1941    und    den    Beginn    von Kampfhandlungen    zwischen    der    irakischen    Armee    und    den    imperialen    Streitkräften Großbritanniens. Das   Auswärtige   Amt   schickte   Fritz   Grobba,   einen   der   glühendsten   Verfechter   arabischer Aufstandspläne,   nach   Bagdad,   um   dort   die   Geschicke   in   die   Hand   zu   nehmen.   Dieser musste   aber   alsbald   erkennen,   dass   ohne   direkte   Waffenhilfe   nur   wenig   erreicht   werden konnte.
Der    einzige    Wehrmachtteil,    der    wirksame    Unterstützung    leisten    konnte,    war    die Luftwaffe,    da    nur    sie    die    immer    noch    erheblichen    Distanzen    zwischen    den    festen Wehrmachtbasen   in   Griechenland   und   dem   Irak   überbrücken   konnte.   Man   trug   Hitler vor,   der   entschied,   die   Luftwaffe   solle   eine   „heroische   Geste“   zeigen   und   mit   einigen Staffeln in die Kämpfe eingreifen. Der   Generalstab   der   Luftwaffen   schickte   daher   eine   Staffel   Me   110   und   eine   Staffel   He 111     unter     dem     Kommando     des     Obersten     Werner     Junck     in     den     Irak.     Diese Personalentscheidung   war   überhaupt   nicht   nach   dem   Geschmack   von   Grobba,   der   viel lieber   seinen   Schwager,   den   General   der   Flieger   Hellmuth   Felmy,   auf   diesem   Posten gesehen     hätte.     Damit     war     der     Keim     für     teils     hasserfüllte     Diskussionen     und Anschuldigungen bis weit nach 1945 gelegt. Die   deutschen   Luftwaffenverbände   trafen   am   15.   Mai   1941   in   Mosul   ein   und   begannen alsbald   mit   Angriffen   gegen   britische   Kolonnen   und   den   Stützpunkt   in   Habbaniya.   Die Briten   schlugen   jedoch   alsbald   zurück,   und   so   schmolz   das   Luftwaffenkontingent   rasch zusammen.   Nachschub,   insbesondere   Ersatzflugzeuge,   traf   praktisch   nicht   ein,   da   die Türkei   nicht   offen   auf   die   Seite   der   Achsenmächte   trat   und   jeglichen   Transport   durch   ihr Staatsgebiet untersagte. Junck begriff nach anfänglich forschem Auftreten die Realitäten rasch    und    verlangte    entsprechende    Entscheidungen    durch    die    Luftwaffenführung. Grobba     seinerseits     versuchte,     die     irakische     Armee     und     die     Bevölkerung     zum Widerstand   zu   ermuntern   und   griff   in   die   Entscheidungen   des   irakischen   Generalstabes ein.   Gleichzeitig   forderte   er   weiterhin   deutsche   Unterstützung   an   und   suggerierte   in Meldungen   das   Bevorstehen   eines   größeren   Aufstandes   und   das   Engagement   größerer Stammesverbände auf Seiten der irakischen Regierung. In   Wirklichkeit   verschlechterte   sich   die   Lage   rapide.   Die   Briten,   die   gut   ausgebildete Kräfte    einsetzten,    zerschlugen    die    irakische    Luftwaffe    und    rückten    nach    wenigen Wochen   über   Falluja   bis   nach   Bagdad   vor.   Die   Stimmung   dort   kippte,   als   die   Araber merkten,   dass   die   Briten   militärisch   kaum   zu   besiegen   waren.   An   einen   Volks-   und Stammesaufstand   war   nicht   mehr   zu   denken,   dies   nicht   zuletzt   auch   deshalb,   weil   die irakische Regierung kein wirkliches Vertrauen zu den Stämmen hatte. Junck,   der   aufgrund   der   Verluste   kaum   noch   zu   aktivem   Eingreifen   in   der   Lage   war, erhielt   am   29.5.   die   Meldung,   dass   britische   Panzerverbände   kurz   vor   Mosul   stünden. Daraufhin   ordnete   er   den   schnellen   Rückzug   der   verbliebenen   Soldaten   nach   Syrien und   Griechenland   an.   Der   Abzug   verlief   in   großer   Hektik   und   hinterließ   nicht   zuletzt   auch in    den    Augen    der    Iraker,    hier    insbesondere    ihrer    Militärs,    den    Eindruck    einer überstürzten   Flucht.   Vieles   an   Ausrüstung   und   auch   ein   Teil   der   Flugzeuge   blieben   in Mosul.
Grobba,   der   weiterhin   fast   fanatisch   an   seiner   Vision   festhielt,   forderte   kategorisch   die Rückkehr    der    deutschen    Kampfverbände    und    bezichtigte    Junck    der    Feigheit.    Das schmähliche   Verhalten   der   Luftwaffe   gefährde   die   großen   Chancen,   jetzt   dauerhaft   im Orient   Fuß   zu   fassen.   Zu   allem   Überfluss   war   just   beim   Abzug   der   deutschen   Soldaten ein     Verband     italienischer     Jagdflieger     eingetroffen,     der     die     Lage     entsprechend kommentierte.   Junck   beantragte   daraufhin   ein   Ehrengerichtsverfahren   gegen   sich   und wurde freigesprochen. Die   ganze   Aktion   musste   schließlich   dann   schnell   beendet   werden,   da   der   britische   Sieg nicht   mehr   aufzuhalten   war.   Grobba   und   die   arabischen   Führer,   Raschid-al-Gailani   und der Großmufti wurden auf verschiedenen Wegen nach Berlin gebracht. Insgesamt   war   der   bis   dato   sieggewohnten   Wehrmacht   ein   erster   Dämpfer   versetzt worden.   Dazu   kam   ein   erheblicher   Prestigeverlust   nicht   zuletzt   auch   bei   der   arabischen Bevölkerung.    Dieser    gerierte    sich    jedoch    nicht    so    dramatisch,    wie    Grobba    es behauptete.   Die   Araber   und   die   Kurden   waren   es   gewohnt,   dass   Aufstände   gegen   die Kolonialmacht   häufiger   scheiterten.   Daher   hatte   die   Niederlage   für   sie   weniger   Dramatik als    für    die    deutschen    Protagonisten.    Einige    Führer    der    Kurden    hatten    offenbar begonnen,   vor   dem   Hintergrund   des   Geschehens   neue   Aufstandspläne   zu   schmieden, nahmen   davon   aber   wieder   Abstand,   als   sich   das   Scheitern   des   Aufstandes   gegen   das Empire rasch abzeichnete. Insgesamt   besaß   das   Unternehmen   kaum   Chancen   auf   Erfolg,   weil   die   von   deutscher Seite   aufgewendeten   Mittel   vollkommen   unzureichend   waren   und   keineswegs   genügten, um   den   im   Umgang   mit   Kolonialvölkern   mehr   als   erfahrenen   Briten   Paroli   bieten   zu können.   So   musste   man   gegenüber   Letzteren   dann   auch   propagandistische   Federn lassen,   dies   nicht   zuletzt   auch   infolge   des   fast   gleichzeitig   erfolgten   Fluges   von   Heß nach Großbritannien – dieser hatte am 10. Mai stattgefunden. Eine   wesentliche   Rolle   spielte   u.a.   auch   die   grundsätzliche   Perspektive   der   deutschen Kriegführung,   die   wiederum   in   entscheidendem   Maße   von   Adolf   Hitler   geprägt   wurde. Dieser    hatte    grundsätzlich    an    einer    Zusammenarbeit    mit    den    Arabern    keinerlei Interesse,    verachtete    sie    eigentlich    aus    ideologischen    Gründen.    Als    sich    nach    den zweischneidigen   ‚Erfolgen‘   im   Westen   1940   jedoch   keine   eindeutige   Lösung   ergeben hatte,   vielmehr   infolge   der   gescheiterten   Luftoffensive   gegen   England   ein   strategisches Dilemma   entstanden   war,   geriet   der   Mittelmeerraum   und   auch   der   Nahe   Osten   für begrenzte   Zeit   in   den   Fokus   der   obersten   Planungen.   Nachdem   Hitler   hatte   einsehen müssen,   dass   mit   Großbritannien,   anders   als   erhofft,   kein   strategischer   modus   vivendi erreicht   werden   konnte,   sann   er   nach   Möglichkeiten,   die   Briten   entweder   zum   Einlenken zu   zwingen   oder   auf   indirektem   Wege   zu   besiegen.   Mehrere   Monate   wurden   im   OKW dabei   die   verschiedensten   Optionen   erwogen.   Hierbei   kamen   auch   Aktionen   gegen   die portugiesischen    Atlantikinseln,    Gibraltar,    Nordafrika,    Griechenland    und    den    Nahen Osten   zur   Sprache.   Besonders   engagiert   zeigte   sich   das   Oberkommando   der   Marine unter    Admiral    Raeder,    der    eine    nachhaltige    strategische    Konzentration    auf    das Mittelmeer   forderte.   Ferner   präsentierten   verschiedene   Admirale   groß   angelegte   Pläne zur   Erwerbung   eines   Kolonialreiches   vor   allem   in   Afrika   und   die   Besetzung   zahlreicher wichtiger Stützpunkt rund um den Globus.
Diese     Planungen     wurden     jedoch     von     dem     nachgerade     zentralen     Punkt     immer konditioniert:   dem   unerschütterlichen   Willen   Hitlers   zum   Angriff   gegen   die   Sowjetunion   und die    Führung    des    Weltanschauungskrieges    gegen    die    sog.    „jüdisch-bolschewistische“ Gefahr.   Dabei   blieb   Hitler   keineswegs   starr   auf   einen   bestimmten   Zeitpunkt   fixiert,   sondern zeigte   sich   überaus   flexibel   in   der   Reihenfolge   der   Schritte.   Durchaus   denkbar   war,   dass   bei   entsprechender   Gelegenheit   –   erst   einmal   die   britische   Gefahr   beseitigt   wurde.   Daher lehnte    der    Diktator    entsprechende    Pläne    für    die    Kriegführung    im    Mittelmeer    bzw.    in Arabien   keineswegs   kategorisch   ab,   sondern   befahl   sogar   die   weitere   Vorbereitung.   Als indes   klar   wurde,   dass   die   wesentliche   strategische   Eckpfeiler,   hier   vor   allem   Spanien   und die   Türkei,   nicht   für   eine   offensive   Beteiligung   am   Krieg   gewonnen   werden   konnten,   und der    einzige    europäische    Bündnispartner    von    Rang,    Italien,    mit    seinen    militärischen Unternehmen   kläglich   zu   scheitern   drohte,   wandte   sich   Hitler   endgültig   dem   Unternehmen „Barbarossa“ zu. Dies   hieß   keineswegs,   dass   die   Südflanke   nunmehr   vollkommen   aus   dem   Blickfeld   geriet. Immerhin   mussten   die   militärisch   nicht   gerade   überzeugenden   Italiener   allein   schon   aus strategischen    und    psychologisch-propagandistischen    Gründen    gestützt    werden.    Allein, sämtliche    Hoffnungen    auf    eine    Offensive    im    großen    Maßstab    waren    ad    acta    gelegt worden.   Die   obersten   Militärs   wussten   dies   und   begannen   sich   nach   und   nach   auf   den Russlandfeldzug   vorzubereiten.   Hitler   blieb   dabei   durchaus   für   mögliche   Optionen   offen, d.h.   wenn   sich   günstige   Gelegenheiten   ergaben.   In   der   Wahl   seiner   Mittel   aber   verfuhr   er seit   dem   endgültigen   Entschluss   für   den   Russlandfeldzug,   d.h.   seit   Anfang   1941,   überaus sparsam. Genau    in    diesem    strategischen    Rahmen    erfolgte    der    Krieg    im    Irak.    Außenminister Ribbentrop,     der     sich     im     Einklang     mit     seinen     obersten     Entscheidungsträgern     im Auswärtigen   Amt,   Staatssekretär   Weizsäcker   und   dem   Leiter   der   politischen   Abteilung, dem   Unterstaatssekretär   Woermann,   trotz   der   fortgesetzten   Vorstellungen   von   Grobba   in der   Frage   aktiver   Unterstützung   mit   Truppen   und   Waffen   zunächst   sehr   zurückgehalten und   auch   nur   vorsichtige,   teils   mit   subkutanen   Warnungen   versehene   Erklärungen   für   die irakische    Regierung    abgegeben    hatte,    erblickte    nach    Ausbruch    der    britisch-irakischen Kämpfe    durchaus    die    Möglichkeit,    einen    Keil    in    die    politisch-strategische    ‚Front‘    des Empire     zu     treiben.     Hitler,     wohl     eher     pessimistisch-nüchtern     in     Bezug     auf     die Erfolgsaussichten,    entschloss    sich    daraufhin    zur    Entsendung    von    Junck    und    dessen Luftwaffenstaffeln.   Eine   gewisse   Rolle   in   Verbindung   mit   der   „heroischen   Geste“   dürften dabei        die        Voraussagen        deutscher        Insurrektionspropheten        bezüglich        des Aufstandspotenzials   der   Araber   gegen   das   Empire   gespielt   haben.   Weitere   Hilfen   blieben dabei   durchaus   nicht   ausgeschlossen,   dies   indes   nur   bei   entsprechenden   Erfolgen   der irakischen   Armee.   Der   negative   Ausgang   des   militärischen   Verlaufes   verhinderte   Derlei jedoch. Die    speziellen    Hoffnungen    von    Grobba    und    dem    Auswärtigen    Amt    waren    mit    dem Misserfolg    zu    Grabe    getragen    worden,    nicht    aber    die    Planungen    für    ein    weiteres militärisches    Eingreifen    im    Orient.    Hitler    selbst    hatte    in    seiner    Weisung    Nr.    30    die Aufstellung   eines   speziellen   Kommandos   zur   Vorbereitung   spezieller   Aktionen   im   Nahen Osten,    Syriens    und    des    Irak    befohlen.    Dieses    Kommando    erhielt    die    Bezeichnung „Sonderstab   F“,   dies   nach   seinem   Kommandeur   Felmy,   der   schon   im   Ersten   Weltkrieg   im Orient tätig gewesen war und nun seinerseits die Chance zum Eingreifen erhielt. Felmy   und   sein   Stab   sammelten   in   kurzer   Zeit   ausführliche   Information   über   Land   und Leute   und   verfassten   dazu   auch   eine   Studie,   die   u.a.   an   die   höchsten   Kommandostäbe der   Wehrmacht   ging.   Darin   waren   minutiös   alle   Infrastrukturmerkmale   und   Rohstoffgebiete aufgeführt.   Ferner   enthielt   sie   eine   mentale   und   psychologische   Charakterisierung   der indigenen Bevölkerung, insbesondere auf ihre Brauchbarkeit als Kampfverbände hin. Diese    schnitten    dabei    nicht    besonders    gut    ab.    Felmy    und    sein    Stab    sprachen    ihnen jegliche   ‚Brauchbarkeit‘   für   ‚zivilisierte‘   Kriegführung   ab   und   empfahlen,   sie   ausschließlich als   Scouts,   Sabotagehelfer   und   vor   allem   als   Unruhestifter   einzusetzen.   „Sie   zeigen“,   so wörtlich,   „alle   Fehler   und   guten   Eigenschaften   einer   primitiven   Rasse   von   willkürlicher, durch   Gesetze   nur   lose   gebundener   Lebensweise:   Gastfreundschaft   und   Begehrlichkeit, Tapferkeit   und   Neigung   zum   Verrat,   Empfindsamkeit   und   Grausamkeit.   Militärdienst   ist nicht   beliebt   […]   Politisch   sind   die   Araber   völlig   unzuverlässig.“   Eine   gewisse   Ausnahme bildeten   vor   allem   die   Kurden,   die   –   Zitat   –   ihrer   „nordischen   Abstammung“   wegen   „zu   den hochwertigeren Rassen des syrisch-irakischen Raumes“ zählten. In   ähnlicher   Weise,   jedoch   ohne   rassistisch-stereotypen   Unterton,   äußerte   sich   Wilhelm Kohlhaas,    ein    württembergischer    Offizier,    der    als    Vertreter    der    Abwehr    von    Canaris zusammen   mit   Grobba   nach   Bagdad   reiste.   Kohlhaas   hatte   auch   Frontbesuche   während der Kämpfe zwischen der irakischen Armee und den Briten vorgenommen.
Sein   Bericht   gibt   einen   guten   Einblick   in   die   Verhältnisse.   Die   indigene   Bevölkerung   in Mosul   und   in   Kirkuk   hatte   sich   zunächst   euphorisch   verhalten,   als   Grobba   mit   einem Eisenbahnzug    voller    Waffen    ankam    und    die    deutschen    Kriegsflugzeuge    unter    Junck eintrafen.   Die   deutschen   Offiziere   traten   dementsprechend   selbstbewusst   auf   und   zeigten sich demonstrativ in der Öffentlichkeit. Es   blieb   jedoch   wenig   Zeit   für   Optimismus.   Bei   ersten   britischen   Luftangriffen   versagte nicht   zuletzt   beim   irakischen   Militär   jegliche   Disziplin.   Dies   verschärfte   sich   noch,   als   die Briten    sich    auf    die    Lage    eingestellt    hatten    und    begannen,    fast    täglich    die    wenigen Treibstoff-Lkw’s   der   deutschen   Luftwaffe   in   Brand   zu   schießen.   In   Bagdad   selbst   nahm man   von   den   Deutschen   kaum   Notiz.   Das   tägliche   Getriebe   abertausender   Menschen veränderte   sich   genauso   wenig,   wie   die   Aktivitäten   der   Stämme   und   Fellachen   auf   dem Land um die Hauptstadt herum. Die   Gespräche   mit   der   irakischen   Militärführung   verliefen   trotz   eines   „kameradschaftlichen“ Tones,   wie   Kohlhaas   vermerkte,   überaus   enttäuschend.   Die   Iraker   hatten,   wohl   geblendet durch   den   deutschen   Nimbus   der   Blitzkriege,   das   Eintreffen   ganzer   Wellen   deutscher Kampfflugzeuge   erwartet.   Grobba   und   die   deutsche   Delegation   gingen   ihrerseits   davon aus,   dass   das   deutsche   Auftauchen   einen   allgemeinen   Volksaufstand   nach   sich   ziehen werde. Auf beiden Seiten hatte man vom anderen die entscheidende Initiative erwartet. Besonders   kritisch   ging   Kohlhaas   trotz   einer   gewissen   Grundsympathie   mit   den   irakischen Kampftruppen   ins   Gericht.   Die   Soldaten,   insbesondere   die   Offiziere,   hatten   anfangs   einen sehr   guten   und   dynamischen   Eindruck   gemacht,   zeigten   jedoch   bald   erhebliche   Defizite gegenüber der Anwendung modernen Kriegsgeräts. Dazu   kam   das   Fehlen   eines   energischen   Vorgehens   gegen   die   Briten.   Die   Iraker   hatten keineswegs   damit   begonnen,   britische   Sympathisanten   aufzugreifen.   In   gewisser   Weise blieb   das   Empire   in   den   Köpfen   nach   wie   vor   beherrschend.   Dementsprechend   sahen   die Iraker,   anders   als   Grobba,   auch   den   Abzug   der   deutschen   Luftwaffe   nicht   unbedingt   als Katastrophe. Kohlhaas    warf    demgegenüber    der    irakischen    Armee    „primitive    Kriegführung“    und „Lahmheit“   vor.   Als   Fazit   konstatierte   er,   „dass   es   an   einem   echten   kriegerischen   Willen   im deutschen   Sinne   gefehlt   hat“.   Die   Wüstenstämme   sah   er   –   durchaus   korrekt   –   als   eine   Art kleiner      ‚Feudalgemeinschaften’      innerhalb      des      Staatsgebietes      an,      die      keinerlei grundsätzliches     Interesse     an     einem     Engagement     für     den     Staat     hatten     und     die ausschließlich nach ihrer aktuellen Interessenlage handelten.
Trotz   dieser   nicht   unbedingt   schmeichelhaften   Charakterisierungen   machte   man   sich   in der    Folge    daran,    eine    spezielle    Kommandoeinheit    aufzustellen,    für    die    arabische Studenten    und    ehemalige    Fremdenlegionäre    geworben    wurden.    Man    stellte    diese zusammen   mit   deutschen   Soldaten   in   Bataillonsstärke   als   Teil   des   „Sonderverbandes   288“ auf,   der   unter   dem   Kommando   des   Sonderstabes   F   stand.   Innerhalb   des   Sonderstabes   F plante   man   in   der   Erwartung,   dass   man   ggf.   recht   rasch   von   Griechenland   aus,   wo   die Ausbildung    stattfand    (Sunion),    nach    Syrien    übersetzen    und    von    dort    aus    dann    den Wüstenkrieg zusammen mit den Arabern trotz deren erkannter Defizite führen konnte. Derlei    stand    im    Einklang    mit    den    teils    ausführlichen    Erörterungen,    die    im    Rahmen publizistischer    und    wissenschaftlicher    Erörterung    des    kommenden    Krieges    bzw.    der Kriegführung   im   Nahen   Osten   angestellt   worden   waren.   Die   entsprechenden   Schriften entstanden   zum   Teil   im   Dunstkreis   der   Geopolitik   (Karl   Haushofer)   bzw.   wurden   von Kriegsteilnehmern   des   Ersten   Weltkrieges   oder   auch   Journalisten   verfasst   und   erreichten verschiedentlich   hohe   Auflagen.   Dort   wurden   durchgängig   die   Unterschiede   zwischen   der europäischen    und    der    arabischen    Mentalität    konstatiert    und    u.a.    gefordert,    dass    ein mobiler   Spezialverband   unter   der   Führung   von   Experten   und   Landeskundlern   eingesetzt werden   musste.   Dieser   sollte   irreguläre   Kriegführung   umsetzen   und   ggf.   an   neuralgischen Punkten   Entscheidungen   herbeiführen.   Insbesondere   aber   sollte   er   die   Beduinenstämme in   seiner   taktischen   Reichweite   für   sich   gewinnen   und   möglichst   versuchen,   diese   trotz ihrer    volatilen    Art    an    die    Wehrmacht    zu    binden.    Genau    diesen    Zwecken    sollte    der Sonderstab   F   dienen,   der   ja   unter   der   Führung   von   Felmy,   einem   prominenten   Teilnehmer der   Sinaifront   des   Ersten   Weltkrieges,   stand.   Die   weiterführenden   Zielsetzungen   für   den Sonderstab   F,   hier   insbesondere   die   Funktion   als   Kadertruppe   für   eine   neuaufzustellende irakische Armee, ließen sich hiermit sehr gut verbinden. Ein   rascher   Einsatz   erwies   sich   dann   indes   rasch   als   unmöglich,   denn   die   Briten   hatten sehr   wohl   die   Möglichkeit   erkannt,   dass   die   Achsenmächte   evt.   einen   Brückenkopf   in Syrien   bilden   würden   und   hatten   daher   das   Land   zügig   erobert.   Damit   blieb   diese   Option versperrt.   Andere   Einsatzgebiete   traten   damit   in   den   Vordergrund,   dies   nicht   unbedingt   zur Freude von Felmy und seinen Führungsoffizieren. Inzwischen   war   das   Unternehmen   Barbarossa   angelaufen   und   es   wurde   schnell   klar,   dass ein      Einsatz      des      Sonderstabes      F      als      Bestandteil      eines      groß      angelegten Eroberungsfeldzuges   über   den   Kaukasus,   und   zusätzlich   ggf.   über   den   Nil   hinweg,   in Frage käme. Da   der   deutsche   Vormarsch   nach   und   nach   an   allen   Fronten   stockte   und   recht   rasch Spezialverbände   als   Feuerwehr   an   Brennpunkten   benötigt   wurden,   wurden   die   deutschen Teile     des     Sonderverbandes     288     nach     Afrika     verlegt.     Der     Nachfolgeeinheit,     der Sonderverband   287,   erging   es   nicht   wesentlich   anders.   Seine   deutschen   Bestandteile wurden   als   Flankensicherung   in   Südrussland   verwendet.   Die   arabischen   Teile   blieben jedoch   in   Reserve,   da   man   immer   noch   glaubte,   sie   evt.   im   Orient   einsetzen   zu   können. Das   Generalkommando   z.b.V.,   wie   der   Sonderstab   F   seit   September   1942   hieß,   wurde dann   mit   arabischen   Kampftruppen   1943   in   den   tunesischen   Brückenkopf   verlegt,   wo   ein Teil   in   Kriegsgefangenschaft   geriet.   Der   Rest   diente   als   Kern   zur   Aufstellung   des   deutsch- arabischen   Bataillons   Nr.   845   in   Döllersheim   ab   Juni   1943,   das   dann   noch   auf   dem Balkan,     u.a.     gegen     Titos     Rebellen     kämpfte     und     in     der     Nähe     von     Zagreb     in Kriegsgefangenschaft   ging.   Ca.   100   als   Fallschirmjäger   ausgebildete   Araber   kämpften   im März 1945 noch im Oderbruch. Der zweite Teil des Aufsatz auf der  folgenden Unterseite .
Der folgende Aufsatz ist in Papierform erscheinen in: Eberhard Birk, Heiner Möllers und Wolfgang Schmidt, Die Luftwaffe in der Moderne, Essen 2011. Wörtlich abgedruckt ist hier in der Folge nur die Version ohne Fussnoten. Die Version mit Fussnoten findet man hier.
Diese Rubrik soll in fortlaufender Ergänzung Auskunft über meine Forschungen und Aktivitäten im Irak geben. Zunächst werden hier der bereits in der alten homepage enthaltene Aufsatz über den Luftwaffeneinsatz im Irak 1941 und die Bilder meines Aufenthaltes im Nordirak 2013 eingestellt